BaFin konsultiert Merkblatt zur Einflussnahme durch Investoren auf Anlageentscheidungen
Am 14. März 2025 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Entwurf eines Merkblattes zur Einflussnahme von Anlegern auf Investments und Desinvestments von Investmentvermögen veröffentlicht und zur Konsultation gestellt. Das Merkblatt bezieht sich auf Investmentvermögen allgemein, unabhängig von der Assetklasse.
Im Bereich der Immobilien-Spezial-AIF gibt es regelmäßig einen gewissen Austausch zwischen den Kapitalverwaltungsgesellschaften und den Anlegern hinsichtlich der (bisherigen und weiteren) wirtschaftlichen Entwicklung der Fonds, so dass die (in einem Merkblatt konkretisierte) Verwaltungspraxis der BaFin erhebliche praktische Relevanz hat.
Der Inhalt des Entwurfes des Merkblattes lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Weisungen der Anleger sind unzulässig
- Vetorechte oder Zustimmungsvorbehalte von Anlegern in Bezug auf einzelne Assets sind ebenfalls unzulässig
- Vetorechte oder Zustimmungsvorbehalte von Anlegern zur Anlagestrategie allgemein im Rahmen der vereinbarten Anlagerichtlinien (z.B. betreffend Anlage in bestimmte Nutzungsarten, Regionen usw.) sind zulässig
- unverbindliche „Investmentideen“ oder „Empfehlungen“ der Anleger sind unproblematisch, es sei denn diese stellen in Wahrheit eine indirekte Weisung dar
- jede Form der Einflussnahme von Anlegern auf die Anlageentscheidungen ist zu dokumentieren.
Im Wesentlichen entsprechen diese Grundsätze betreffend die Einflussnahme der bereits bestehenden Aufsichtspraxis und der allgemeinen Marktübung, allerdings mit einigen Einschränkungen. Insbesondere ist zu beachten, dass das Merkblatt alle Investmentvermögen regelt, Sachwertefonds, einschließlich Immobilienfonds, aber, anders als z. B. Wertpapierfonds, in der Regel nur in relativ wenige einzelne Vermögenswerte investieren.
Besonders deutlich ist das bei geschlossenen Fonds, die häufig nur in eine Immobilie, ein Flugzeug, ein Schiff etc. investieren, oder jedenfalls nur in sehr wenige. Die Vertragswerke für geschlossene Fonds sehen daher regelmäßig erweiterte Mitwirkungsrechte der Anleger vor, insbesondere bei fundamentalen Entscheidungen betreffend den Investmentgegenstand. Die Entscheidung über die Veräußerung der einzigen Immobilie des geschlossenen Fonds vor dem Ende der Fondslaufzeit z. B., nach dem Duktus des Merkblattes die Entscheidung über einen „Einzeltitel“, ist damit letztlich auch eine Entscheidung über die Anlagestrategie, die ja in dem Erwerb und dem Halten dieser Immobilie besteht.
Darüber hinaus kann nicht als gesichert angesehen werden, ob die Zuweisung der Kompetenz für die Verwaltung des Anlagevermögens in § 154 Abs. 1 Satz 2 KAGB über § 149 Abs. 1 Satz 2 KAGB die Anwendbarkeit von §§ 161 Abs. 2, 116 Abs. 2 Satz 1 HGB (Notwendigkeit eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses für Rechtsgeschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehen) ausschließt. Zudem ist die analoge Anwendung des § 179a Aktiengesetz (zustimmender Gesellschafterbeschluss bei Veräußerung des gesamten Vermögens) auf die Kommanditgesellschaft nicht restlos geklärt. Der Bundesgerichtshof hat zwar im Jahre 2022 eine analoge Anwendung abgelehnt, dies aber hauptsächlich mit dem Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke und einem mangelnden Bedürfnis für eine analoge Anwendung begründet, da den Gesellschaftern einer KG, anders als den Aktionären einer Aktiengesellschaft, gesetzliche Zustimmungsrechte zustünden, insbesondere nach § 116 Abs. 2 HGB. Wäre § 116 Abs. 2 HGB auf die Investmentkommanditgesellschaft nicht anwendbar, so entfiele die Ratio des BGH-Urteils für einen Ausschluss der analogen Anwendbarkeit des § 179a AktG. Jedenfalls kann die Anwendbarkeit entweder des § 116 Abs. 2 HGB oder des § 179a AktG und damit eine aus dem Gesellschaftsrecht folgende Notwendigkeit für einen Gesellschafterbeschluss bei Grundlagengeschäften bzw. der Veräußerung des gesamten Vermögens nicht sicher ausgeschlossen werden.
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Zustimmungsvorbehalte betreffend die Anlagestrategie auch nach dem Entwurf des Merkblattes zulässig sind, sollte in dem Merkblatt explizit geregelt werden, dass auch Anlegerentscheidungen betreffend „Einzeltitel“ zulässig sind, wenn diese Entscheidung Bedeutung für die Anlagestrategie hat und/oder nach anwendbarem Gesellschaftsrecht erforderlich ist.
Besondere Bedeutung haben darüber hinaus die Ausführungen zu Anlegerempfehlungen, vor allem hinsichtlich der Frage, wann diese „in Wirklichkeit eine indirekte Weisung“ darstellen. Die Abgabe von Empfehlungen durch Anleger bzw. durch einen Anlageausschuss sind im Bereich der offenen Immobilien-Spezial-AIF weit verbreitet. Der BaFin ist dabei beizupflichten, dass diese Frage stets im Einzelfall zu beantworten ist.
Die von der BaFin genannten Indizien für das Vorliegen einer verdeckten Weisung, nämlich:
- Ausführung aller Empfehlungen Ein-zu-Eins ohne eigene Recherche oder materielle Bewertung der Chancen und Risiken des Investments oder Desinvestments
- Beschränkung der Prüfung der Empfehlungen durch die KVG / den Portfolioverwalter formal auf Erwerbbarkeitskriterien oder eine Anlagegrenzprüfung
- Initiative für die Anschaffung oder Veräußerung von Vermögensgegenständen geht selten oder nie von der KVG aus, sondern im Wesentlichen und kontinuierlich von den Anlegern
sind begrüßenswert klar und werden im Normalfall nicht einschlägig sein. Die Praxis sollte damit gut umgehen können.
Einziger Hinweis diesbezüglich betrifft die sogenannten Einbringungsfonds, die sich in den letzten Jahren großer Beliebtheit erfreut haben. Bei einem Einbringungsfonds bringt der Anleger zuvor von ihm auf der eigenen Bilanz gehaltene Vermögensgegenstände in einen Fonds ein. Je nach den steuerlichen und aufsichtsrechtlichen Gegebenheiten werden die Einbringungsfonds üblicherweise als offenes Sondervermögen oder als geschlossene Investmentkommanditgesellschaft ausgestaltet. Bringt der Anleger selbst die Vermögensgegenstände in den Fonds ein, so ist er notwendigerweise an der Anlageentscheidung beteiligt. Diesen Fall hat das Merkblatt sicher nicht vor Augen, jedoch könnte noch klargestellt werden, dass sich die betreffenden Ausführungen nicht auf diese Konstellation beziehen.
Die Ausführungen zu den Dokumentationspflichten sind doch recht weit: „Jede Form der Einflussnahme von Anlegern auf die Anlageentscheidungen“ ist zu dokumentieren. Das ist zu weitgehend. Die BaFin wird nicht wollen, dass die Kapitalverwaltungsgesellschaften in der Zukunft zu jedem Telefonat oder jedem Tischgespräch mit einem Anleger, in dem es, und sei es nur am Rande, auch um das Schicksal der Vermögensgegenstände des Fonds geht, eine Gesprächsnotiz anzufertigen haben. Die Dokumentationspflicht sollte deutlich eingeschränkt und zumindest auf eindeutige und zielgerichtete Kommunikation eines Anlegers an die KVG / den Portfolioverwalter, die auf eine konkrete Beeinflussung einer Investment- oder Desinvestmententscheidung gerichtet ist, beschränkt werden.