Wer in der deutschen Immobilienwirtschaft Transaktionen begleitet hat, dem ist das Schreckenswort „Schriftformmangel“ vertraut. Kein Due Diligence-Bericht zu den Mietverträgen eines Objekts, der dieses Thema nicht angesprochen hat. Kaum ein Bericht, der nicht Schriftformmängel aufzeigen musste. Unzählbar deswegen die Stunden, in denen sich Investoren und deren Anwälte damit beschäftigen mussten. Denn längerfristige Mietverträge mit einem solchen Mangel sind jederzeit kündbar und können damit zum Teil die Bewertung eines Objektes drastisch reduzieren. In jedem Fall bringen sie erhöhte Risiken mit sich – für Vermieter, aber auch für Mieter, die auf langfristige Nutzung einer Immobilie angewiesen sind.
Damit soll es in Kürze vorbei sein. Der Bundestag hat am 26. September 2024 das „Vierte Bürokratieentlastungsgesetz“ beschlossen. Danach müssen künftig langfristige Mietverträge (länger als ein Jahr) über andere als Wohnräume nicht mehr in der gesetzlichen Schriftform abgeschlossen werden, sondern nur noch in „Textform“. Was darunter zu verstehen ist, steht in § 126b BGB: eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, abgegeben auf einem dauerhaften Datenträger. Dauerhafte Datenträger sind zum Beispiel ein USB-Stick, aber nach allgemeiner Auffassung auch E-Mail (vor allem, wenn damit unterzeichnete PDF‑Kopien übermittelt werden).
Ab voraussichtlich 1. Januar 2025 gilt diese Erleichterung für Nachträge zu bestehenden Mietverträgen, ab 1. Januar 2026 dann auch für Neuabschlüsse (Art. 15 Nr. 1 des Gesetzes).
Ganz vom Tisch ist das Thema damit nicht, wie es sich die Immobilienwirtschaft dringend gewünscht hätte. Denn anders als die meisten anderen Verträge, die grundsätzlich formfrei sind, muss weiter eine Form eingehalten werden, damit Mietverträge langfristig wirksam sind. Deswegen bleiben manche Fußangeln. Die fatalste davon ist die „Infektionswirkung“: Wenn Mieter und Vermieter ohne böse Absicht ganz formlos eine Änderung vereinbaren, zum Beispiel mündlich, zerstören sie damit auch künftig die langfristige Bindungswirkung des gesamten Vertrags!
Doch die Einführung der Textform wirft Fragen auf, die auch künftig Juristen beschäftigen werden. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich eine detaillierte Rechtsprechung, und eine noch weiter verzweigte rechtliche Literatur entwickelt, die im Einzelnen festlegen wollte, was alles erforderlich ist, um der Schriftform gerecht zu werden. Vereinfacht gesagt haben sich folgende Elemente herausgebildet:
1. Vollständigkeit der Vertragsbedingungen:
Die Schriftform erfordert, dass alle wesentlichen Vertragsbedingungen wie Mietgegenstand, Miethöhe, Vertragsdauer und die Identität der Vertragsparteien, schriftlich festgehalten werden. Diese Bedingungen müssen aus der Urkunde selbst oder aus einem eindeutigen Verweis auf andere schriftliche Dokumente hervorgehen. Beispiel: Ein Mietvertrag muss explizit Angaben zur Lage und Größe der Räume, zur Höhe der Miete und zur Laufzeit des Vertrags enthalten.
2 .Bezugnahme auf ergänzende Dokumente:
Wenn der Mietvertrag auf zusätzliche Dokumente wie Anlagen oder Nachträge verweist, müssen diese Verweise klar und eindeutig sein, um die rechtliche Einheit und Vollständigkeit des Vertrages zu gewährleisten. Die ergänzenden Dokumente müssen ebenfalls den formalen Anforderungen genügen und in geeigneter Weise mit dem Hauptvertrag verbunden sein. Beispiel: Ein Mietvertrag verweist auf eine Anlage, die detaillierte Bestimmungen über die Nebenkostenregelung enthält. Diese Anlage muss dann auch von beiden Parteien unterzeichnet sein oder eine eindeutige Verbindung zum Hauptvertrag aufweisen.
3. Unterschrift beider Parteien:
Ein wesentliches Merkmal der Schriftform ist die Unterzeichnung derselben Mietvertragsurkunde durch beide Parteien, was bislang bei wichtigen und zeitkritischen Mietverträgen immer wieder zu ungeplanten Reisen oder der Beauftragung von Nachtkurieren geführt hat.
Zumindest der dritte Punkt dürfte sich künftig erledigen, und schon aus diesem Grund wird es künftig einfacher sein, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen: Zunächst ganz trivial, indem Mietverträge und Nachträge in einfacher elektronischer Form abgeschlossen werden können, z. B. über DocuSign, oder auch durch eine mit der Hand unterschriebene Fassung, die als PDF-Kopie übermittelt wird.
Weniger klar ist, wie es mit Punkt 1 und 2 im Hinblick auf die „Einheitlichkeit der Vertragsurkunde“ weiter gehen soll. Es finden sich im Markt Stimmen, die davon ausgehen, dass die Anforderungen, die in der Vergangenheit für die Schriftform entwickelt wurden, auch zur Erfüllung der Textform beachtet werden müssen. Weshalb das der Fall wäre, wenn das Gesetz ausdrücklich eine andere Form anordnet, ist allerdings schwer begründbar. Dennoch entspricht es einer guten Vertragsgestaltung und man ist auch künftig auf der sicheren Seite, wenn man sich an den insoweit etablierten Vorgaben orientiert.
Ebenfalls nicht klar ist, wie die in Mietverträgen nicht unüblichen, oft sehr detaillierten Schriftformklauseln zu behandeln sind. Das BGB hat für die vertraglich vereinbarte Schriftform „soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist“ die telekommunikative Übermittlung einer unterschriebenen Urkunde ausreichen lassen. Wenn allerdings die Vertragsurkunde detaillierte Regelungen dazu enthält, wie die Parteien die Schriftform erfüllen wollen, und die Regelung nicht aus AGB‑rechtlichen Gründen unbeachtlich ist, bleibt u.U. wenig Interpretationsspielraum, auch eine andere Form – z. B. die gesetzlich ausreichende Textform – gelten zu lassen. Auch hier ist auf der sicheren Seite, wer zumindest beim nächsten Nachtrag noch die „alte“ Schriftform einhält und ggf. die mit der neuen Gesetzeslage unnötige vertragliche Regel gleich mit anpasst.
Mit der Gesetzesänderung sollte es künftig jedenfalls leichter werden, Formmängel mit ihren erheblichen Folgen für die Dauer des Mietverhältnisses zu vermeiden. Daran anschließend lässt sich hoffentlich auch der Prüfungsaufwand im Ankaufsprozess reduzieren.
Das sind die weitgehend guten Nachrichten. Der Umstellungsaufwand sollte nicht dramatisch sein, vor allem zeitlich nicht dringend, weil die „Textform“ auch durch die „Schriftform“ erfüllt wird. Wer also weiter korrekt die jetzigen Regeln anwendet, gefährdet auch künftig die Wirksamkeit nicht. Betriebswirtschaftlich lohnend ist es aber für Asset Manager, sich damit jetzt zu beschäftigen, um Prozeduren zu vereinfachen, die neuen Formen „unfallsicher“ zu gestalten und neue Wege zur Behebung alter Mängel auszuloten. Unser Team steht bereit, Sie dabei zu beraten und zu begleiten.